VERWALTUNGSGERICHT DES KANTONS GRAUBÜNDEN
DRETGIRA ADMINISTRATIVA DAL CHANTUN GRISCHUN
TRIBUNALE AMMINISTRATIVO DEL CANTONE DEI GRIGIONI
R 22 40
5. Kammer
Vorsitz Meisser
Richter Audétat und Paganini
Aktuar Gross
URTEIL
vom 2. Mai 2023
in der verwaltungsrechtlichen Streitsache
A._____,
B._____,
C._____,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Wetzel und/oder Rechtsanwältin MLaw Anita Brassel,
Beschwerdeführer
gegen
Gemeinde D._____,
vertreten durch Rechtsanwalt MLaw Gian Luca Peng,
Beschwerdegegnerin 1
und
E._____,
Beschwerdegegnerin 2
betreffend Baueinsprache
I. Sachverhalt:
1. E._____ reichte am 17. September 2021 ein Gesuch für den Neubau eines MFH als Ersatz für das Haus F._____, Voa G._____, Dorfzone, AZ H._____, auf Parzellen I._____ in J._____, ein. Das Bauprojekt umfasst vier Erstwohnungen und drei Zweitwohnungen; zudem elf Einstellplätze in der Tiefgarage und zwei Abstellplätze aussen. Dagegen erhoben unter anderem die Nachbarn auf Parzelle K._____, die Stockwerkeigentümer (STWE) A._____, B._____ und C._____ Einsprache und verlangten die Verweigerung der Baubewilligung.
2. Nach doppeltem Schriftenwechsel verfügte die Gemeinde D._____ am 5., mitgeteilt am 23. Mai 2022, alle Einsprachen – auch die Einsprachen A._____, B._____ und C._____ – würden im Sinne der Erwägungen abgewiesen. Die Baubewilligung wurde gleichentags erteilt.
Die Gemeinde erwog u.a., es handle sich hier nicht um eine geschlossene Bauweise gemäss Art. 58 BG. Die Baute habe sich nach den Gestaltungsbestimmungen in Art. 63 BG zu richten. Diese seien strenger als Art. 73 Abs. 1 KRG. Die Gebäudelänge sei nicht überschritten. Der untere Dorfteil von J._____ weise keine homogene Gestaltung auf. Die dortigen Gebäude seien vereinzelt zusammengebaut, oft aber auch freistehend. Die Firstrichtungen seien uneinheitlich, die Dachformen meist einfach. Ausnahme bildeten beispielsweise die beiden Häuser auf Parzelle K._____ der Einsprecher. Die geplante Baute befinde sich am unteren westlichen Dorfrand. Mit der Unterteilung in mehrere Volumenkörper und deren unterschiedlicher Ausrichtung sowie dem tiefergehaltenen Mittelteil werde die Gebäudeform gebrochen. Dieser Gestaltungsansatz werde von der Baubehörde begrüsst, auch aufgrund der Grösse der Baute. Die geplante Baute sei zudem tiefer gelegt worden, was zur Volumenverminderung beitrage. Die Bauten in J._____ dürften (in Zukunft) generell eher grösser werden (Stichwort RPG 1). In der Gemeinde solle die Verdichtung mit der laufenden Totalrevision umgesetzt werden. Die Baute werde hangparallel ausgerichtet, wie die oberhalb der Zufahrtsstrasse liegenden Bauten. Holz und Stein und verputzte Fassaden fänden sich in der Nähe mehrfach. Hier handle es sich nicht um einen ortsfremden Baustil. In Art. 39 BG werde die Mindestanzahl an Parkplätzen bestimmt; diese sei hier mit deren 13 eingehalten. Das Baugesetz mache keine Vorgaben betreffend Besucherparkplätze. Deren Anzahl könne vorliegend somit nicht angeordnet werden.
3. Dagegen erhoben A._____, B._____ und C._____ am 23. Juni 2022 Beschwerde an das Verwaltungsgericht und beantragten, (1) der Entscheid des Gemeindevorstandes D._____ vom 5. Mai 2022 betreffend Abbruch und Wiederaufbau eines Mehrfamilienhauses auf den Parzellen-Nrn. I._____, Voa L._____, D._____ und die erteilte Baubewilligung seien aufzuheben. (2) Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beschwerdegegnerin. Zudem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen (am 11. Juli 2022 erteilt).
Die Ausnützungsziffer (AZ) richte sich nach Art. 53 BG. Sie sei nicht Gegenstand der vorgezogenen Teilrevision Baugesetz zur Urnenabstimmung vom 28. November 2021; diese betreffe nur die von der Gemeinde D._____ als dringlich eingestuften Sachverhalte. Das Baugesetz sei somit nicht an die IVHB angepasst worden. Die Teilrevision enthalte aber trotzdem eine Anpassung der AZ, die der künftigen AZ gemäss Art. 37a KRVO widerspreche. Art. 53 Abs. 4 lit. d BG sei ergänzt worden. Neu würden u.a. ausserhalb der Wohnung liegende Korridore und Treppenanlagen (inklusive Aussentreppen) nicht angerechnet (s. Art, 53 Abs. 4 lit d BG):
Nicht angerechnet werden: Zivilschutzräume und Einstellräume für Motorfahrzeuge, Technikräume, Keller, Abstellräume für Geräte wie Ski- und Veloräume und dergleichen, Heizräume, Lifte und ausserhalb der Wohnung liegende Korridore und Treppenanlagen (inkl. Aussentreppen).
Entsprechend sei die AZ Berechnung in Anwendung des alten Art. 53 Abs. 3 BG vorzunehmen. Somit sei die AZ hier nicht eingehalten. Es sei nicht ersichtlich, weshalb das Treppenhaus im DG nicht mindestens zur Hälfte angerechnet werden solle, insbesondere würden mit dieser Fläche zum dauernden Aufenthalt dienende anrechenbare Flächen erschlossen. Werde nun die Erschliessung im DG zur Hälfte angerechnet, sei die AZ überschritten. Der Ortsteil von J._____, wo das Bauvorhaben realisiert werden solle, weise keine homogene Gestaltung auf. Es gebe im Umfeld zweigeschossige Punktbauten mit UG und DG, mit maximaler Länge von knapp 20 m, während das geplante Gebäude gut 28.5 m lang sei, fast 10 m länger als sämtliche umliegenden Gebäude. Beim Bauprojekt sei der First des mittleren, parallel zum Hang verlaufenden Dachabschnitts lediglich 90 cm tiefer als die beiden quer zum Hang verlaufenden Firsthöhen. Dies führe nicht zu einer Durchbrechung, sondern zu einer massiven Erscheinung als riegelhafte Länge von gut 28.5 m. Eine deutliche Zäsur wäre nur dann zu erreichen, wenn das Dach sowie die beiden oberen Stockwerke des Mittelteils weggelassen würden. Der in Beton geplante massive Sockel rage mit einer Höhe von 2-3 m aus dem tiefer gelegten Terrain und schaffe damit ein grösseres Volumen als das eigentliche Gebäude schon aufweise. Der Neubau ordne sich nicht ein. Hier habe sich die Gemeinde in unzulässiger Weise nicht mit den Vorbringen der Einsprecher auseinandergesetzt. Sie lege nicht dar, wie das geplante UG sich einordnen solle. Es reiche nicht aus, für eine gute Einordnung Materialien wie Holz, Stein und verputzte Fassaden zu verwenden. Die geplante Baute müsse sich auch in Bezug auf ihr Volumen, die Gestaltung des UG und ihre Länge einfügen. Dies sei nicht der Fall. Die geplante Einfahrt in die Tiefgarage weise nicht die geforderte ebene Einfahrt (Vorplatz von 3 m) auf. Der Platz weise eine Neigung von 3.8 % auf. Auch wenn das Gesetz lediglich 'bei Möglichkeit' eine ebene Fläche fordere, sei nicht dargetan, weswegen es nicht möglich sein sollte, eine ebene Fläche zu erstellen. Hinsichtlich der Anzahl Pflichtparkplätze (PP) müssten bei Wohnbauten pro Wohnung bis 80 m² ein und bei mehr als 80 m² zwei Parkplätze nachgewiesen sein. PP 08 und PP 11 befänden sich unmittelbar hintereinander und der Hinterlieger könne nur über den Vorderlieger die Ein- und Ausfahrt erreichen. PP 11 sei somit kein vollwertiger Parkplatz. Die Benützung der längs der Zufahrtsstrasse angeordneten Parkplätze sei fraglich. Ein Wenden sei hier nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Die Inanspruchnahme der gegenüberliegenden Parkplätze auf Parzelle K._____ (der Beschwerdeführer) sei mangels entsprechender Dienstbarkeit nicht zulässig. Ein Wendeplatz sei zu Unrecht nicht angeordnet worden. Unklar sei auch, wo Blaulichtorganisationen ihre Fahrzeuge auf den zwei Grundstücken abstellen sollten. Gemäss Parkplatzberechnung handle es sich hier bei den oberirdisch geplanten Parkplätzen um solche für die Bewohner und nicht für Besucher, somit fehlten Besucherparkplätze. Hier müssten es mindestens zwei sein.
4. In ihrer Vernehmlassung vom 9. August 2022 beantragte E._____ (nachfolgend Beschwerdegegnerin 2) die Abweisung der Beschwerde, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Das Baugesuch erfülle alle öffentlichrechtlichen Bauvorschriften. Die Teilrevision des BG D._____ sei durch die Regierung am 14. Februar 2022 genehmigt worden. Die oberirdischen Parkplätze seien bereits in den ursprünglichen Eingabeplänen vom 17. September 2021 ersichtlich gewesen. Bei den Einsprachen zum Baugesuch vom 4. November 2021 sei dies weder von B._____ noch von A._____ noch von C._____ bemängelt worden.
5. Mit Vernehmlassung vom 6. September 2022 beantragte die Gemeinde D._____ (nachfolgend Beschwerdegegnerin 1) die Abweisung der Beschwerde, unter gesetzlicher Kostenfolge. Soweit die Beschwerdeführer Rügen gegen das rechtskräftige kommunale Baugesetz bzw. gegen Art. 53 Abs. 4 BG vorbrächten, seien diese verspätet. Das teilrevidierte BG sei von der Regierung am 14. Februar 2022 genehmigt worden. Die Anfechtung hätte unmittelbar im Anschluss an den Erlass der betreffenden Regelung bzw. an ihre Genehmigung und amtlichen Publikation durch die zuständige Behörde erfolgen müssen. Dies sei vorliegend nicht erfolgt. Die Frist für die Anpassung der Baugesetze der Grundordnungen in den Gemeinden gemäss Art. 37 Abs. 2 KRVO und Art. 107 Abs. 1 KRG sei verlängert worden. Die Anpassung sei hier zu Recht noch nicht erfolgt. Somit richteten sich die Begriffe und Messweisen nach dem geltenden BG (generell siehe VGU R 12 29 E.2). Nicht angerechnet würden gemäss neu Art. 53 Abs. 4 lit. d BG unter anderem ausserhalb der Wohnung liegende Korridore und Treppenanlagen inklusive Aussentreppen. Somit sei die Fläche des Treppenhauses im DG zu Recht nicht angerechnet und damit die AZ nicht überschritten worden. Bezüglich Einordnung massgebend sei Art. 63 Abs. 1 BG (Anpassungsgebot), der strenger als Art. 73 Abs. 1 KRG sei. Die Gemeinde habe bei der Anwendung dieser Bestimmung einen geschützten Beurteilungs- und Ermessensspielraum. Es sei ein Bauberater für die verwaltungsinterne Meinungsbildung beigezogen worden. Bei der Anwendung von Art. 63 BG habe die Gemeinde erwogen, dass die geplante Baute den gestalterischen Vorgaben in Art. 63 BG genüge. Auch Art. 73 KRG sei nicht verletzt. Es stehe die Gesamtwirkung im Vordergrund. Neue Formen in alten Strukturen sollten möglich sein. Das Bauprojekt sei tiefer gelegt und ordne sich gut ein. Bezüglich Nutzungsdichte und Gebäudeabmessungen stelle dies nichts Anderes dar, als die Fortsetzung und Weiterentwicklung der herrschenden Körnung in der Umgebung mit optimaler Bodennutzung (Art. 1 und 3 RPG). Dies ohne den Vorgaben von Art. 63 BG und Art. 73 KRG zu widersprechen. In Bezug auf das rechtliche Gehör habe die Gemeinde im Einspracheentscheid unmissverständlich dargelegt, von welchen Überlegungen sie sich habe leiten lassen. Die Begründungspflicht sei nicht verletzt. Die Gemeinde habe den Einwand der Einsprecher in Bezug auf die Einordnung als nicht zutreffend betrachtet. Sie hätten auch, wie ihre Eingabe zeige, den Einspracheentscheid sachgerecht anfechten können. Die Anzahl Pflichtparkplätze sei korrekt ermittelt worden. In Art. 39 BG werde die Mindestzahl an Parkplätzen bestimmt. Es stehe fest, dass das Bauprojekt 13 Pflichtparkplätze zur Verfügung halten müsse. 13 Parkplätze genügten. Daran ändere nichts, dass zwei der vorgesehenen Pflichtparkplätze in der Tiefgarage hintereinander angelegt seien. Sechs von insgesamt sieben projektierten Wohnungen lösten je zwei Pflichtparkplätze aus. Somit bestehe die Möglichkeit, einen frei verfügbaren Parkplatz und einen gefangenen Parkplatz dem gleichen Eigentümer derselben Wohnung zuzuteilen. Damit werde auch der hinterliegende Parkplatz vollwertig (vgl. VGU R 04 96 E.1.c) und R 05 95/102 E.4). Das Bauprojekt befinde sich am Ende der Quartierstrasse ohne Durchgangsverkehr und mit geringem Verkehrsaufkommen. Es sei deshalb nicht ersichtlich, weswegen die Steigung von 3.8 % bei der Garagenein- und -ausfahrt zu einer Verkehrsbeeinträchtigung führen solle. Eine Pflicht zur Realisierung eines ebenen Vorplatzes gebe es hier nicht. Die beiden Längsparkplätze seien durchaus benutzbar, ohne Beanspruchung der Parzelle der Beschwerdeführer. Die Breite der Längsparkplätze entspreche der Norm. Auf der gegenüberliegenden Seite seien ebenfalls Parkplätze vorhanden.
6. Mit Replik vom 19. September 2022 hielten die Beschwerdeführer an ihren Anträgen fest. Art. 53 Abs. 4 BG habe Erlasscharakter, weswegen er einer Überprüfung im konkreten Beschwerdeverfahren zugänglich sei. Art. 73 KRG und Art. 63 BG seien verletzt. Die Längsparkplätze auf Parzelle K._____ der Beschwerdeführer seien wegen der Platz- und topographischen Verhältnisse sowie der Ausrichtung der Bauten und Erschliessungsanlagen nicht mit jenen auf dem Baugrundstück Parzelle I._____ und der damit zu gegebener Zeit noch zu vereinigenden Parzelle I._____ vergleichbar. Zumindest B._____ habe in seiner Einsprache die Parkierungssituation gerügt und sei zur Erhebung der Rüge im Beschwerdeverfahren berechtigt. Daran ändere nichts, dass die beiden übrigen Beschwerdeführer dies nicht gerügt hätten.
7. Am 3. Oktober 2022 verzichtete die Beschwerdegegnerin 1 auf die Einreichung einer Duplik. Die Beschwerdegegnerin 2 liess sich duplicando nicht mehr vernehmen.
Auf die weiteren Ausführungen und Beweismittel der Parteien wird, soweit erforderlich, im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
II. Das Gericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 49 Abs. 1 lit. a des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRG; BR 370.100) beurteilt das Verwaltungsgericht Beschwerden gegen Entscheide von Gemeinden, soweit diese nicht bei einer anderen Instanz angefochten werden können nach kantonalem eidgenössischem Recht endgültig sind. Der angefochtene Entscheid betreffend Abbruch und Wiederaufbau eines Mehrfamilienhauses auf den Parzellen I._____ samt zugehöriger Baubewilligung vom 5./23. Mai 2022 ist weder endgültig noch kann er bei einer anderen Instanz angefochten werden. Er stellt deshalb ein taugliches Anfechtungsobjekt für ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden dar. Die Beschwerdeführer sind als Nachbarn und Stockwerkeigentümer der Parzelle K._____ im Norden aufgrund ihrer räumlichen Nähe (weniger als 100 m) mit Sichtkontakt zum südlich auf der anderen Strassenseite geplanten Neubauprojekt davon berührt und haben daher ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung Änderung des angefochtenen Einsprache- und Baubewilligungsentscheids, womit sie zur Beschwerdeerhebung legitimiert sind (Art. 50 VRG). Auf die im Übrigen frist- und formgerecht (Art. 52 Abs.1 i.V.m. Art. 38 Abs. 1 VRG) eingereichte Beschwerde vom 23. Juni 2022 ist somit einzutreten.
2. In materieller Hinsicht gilt es im Einzelnen die Rügen betreffend AZ-Überschreitung (nachfolgend E.2.1.), fehlende gestalterische Einordnung ins Orts- und Landschaftsbild (E.2.2.), Gehörsverletzung (E.2.3.), ungenügende Anzahl Pflichtparkplätze (E.2.4.), nichtbewilligungsfähige Garagenein- und -ausfahrt (E.2.5.) und normwidrige Aussenparkplätze (E.2.6.) zu behandeln und auf ihre Rechtmässigkeit bzw. Berechtigung zu prüfen.
2.1. Die Beschwerdeführer argumentierten richtig, dass der Art. 53 Abs. 4 BG Erlasscharakter habe, weswegen er einer Überprüfung durch das streitberufene Gericht im konkreten Beschwerdeverfahren zugänglich sei. Sie beantragen sinngemäss die Nichtanwendung der Bestimmung im vorliegenden Fall. Indessen sind die Beschwerdeführer, soweit sie Rügen gegen das rechtskräftige kommunale Baugesetz bzw. gegen Art. 53 Abs. 4 BG vorbringen, wegen verspäteter Anfechtung nicht zu hören. Das teilrevidierte Baugesetz (BG) ist von der Regierung am 14. Februar 2022 genehmigt worden (vgl. Akten Gerichtsbeilage: Regierungsbeschluss [RB Protokoll-Nr. 115/2022]). Die Anfechtung hätte unmittelbar im Anschluss an den Erlass der betreffenden Regelung bzw. an ihre Genehmigung und amtliche Publikation durch die zuständige Behörde erfolgen müssen (siehe zur akzessorischen Normenkontrolle rechtsetzender Erlasse Art. 57 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 VRG i.V.m. Art. 60 VRG [Anfechtungsfrist 30 Tage ab Mitteilung der amtlichen Publikation am 15. Februar 2022 – Einreichung Beschwerde 'erst' am 23. Juni 2022; somit klarerweise verspätet]). Diese Tatsache hat zur Konsequenz, dass der neu eingeführte Art. 53 Abs. 4 lit. d BG vorliegend anwendbar ist und somit u.a. ausserhalb der Wohnung liegende Korridore und Treppenanlagen inklusive Aussentreppen, hier konkret die Treppe im DG, zu Recht nicht an die Ausnützungsziffer (AZ H._____) angerechnet wurde (vgl. Akten des Beschwerdegegners [Bg-act.] 2, Beilage S. A5). Ist die Treppe aber nicht anzurechnen, ist unbestritten auch die AZ nicht überschritten. Insofern die Beschwerdeführer zusätzlich gerügt haben, dass Art. 53 Abs. 4 BG im Widerspruch zu höherem kantonalen Recht stehe, ist dazu klarzustellen: Die Frist für die Anpassung der Baugesetze der Grundordnung in den Gemeinden durch die Baubehörden gemäss Art. 37 Abs. 2 der Raumplanungsverordnung für den Kanton Graubünden (KRVO; BR 801.110) sowie Art. 107 Abs. 1 des Raumplanungsgesetzes für den Kanton Graubünden (KRG; BR 801.100) ist verlängert worden (vgl. Akten Gerichtsbeilage: Regierungsbeschluss vom 1. Juni, mitgeteilt 3. Juni 2021 [RB Protokoll-Nr. 517/2021]). Die Anpassung an die Internationale Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe [IVHB] (vgl. Akten Gerichtsbeilage: Faktenblatt vom 12. November 2014, mit formellem Beitritt Kanton GR im November 2010). Die Anpassung an die IVHB ist hier (noch) nicht erfolgt, aufgrund der erwähnten Fristverlängerung im RB Nr. 517/2021 ist dies jedoch (noch) nicht zu beanstanden bzw. rechtmässig. Die Begriffe und Messweisen richteten sich deshalb im konkreten Fall nach dem geltenden Recht bzw. Baugesetz (siehe generell: Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden [VGU] R 12 29 vom 28. August 2012 E.2 mit weiteren Hinweisen).
2.2. Die Beschwerdeführer rügen weiter eine angeblich fehlende Einordnung des Neubauprojekts auf Parzellen I._____. Wie die Beschwerdegegnerin 1 zutreffend ausführt, handelt es sich hier jedoch nicht um eine geschlossene Bauweise nach Art. 58 BG. Eine solche Gestaltungsanordnung liegt gemäss Abs. 1 dieser Bestimmung vor, wenn mindestens drei selbständige Gebäude entlang einer Strasse Gasse durch seitliches Zusammenbauen zu einer Häuserzeile vereinigt werden. Hier liegt lediglich ein selbständiges Gebäude vor, bestehend aus zwei Hauptgebäuden und einem tiefer gelegten Mitteltrakt [Verbindungsfunktion] (vgl. Akten Beschwerdegegnerin 1 [Bg1-act.] 5; Beschwerdeschrift S. 9, Ziff. 19 Abbildung Plan Nr. 102 'Fassaden/Schnitte' vom 17. November, rev. 29. November 2021). Die Beschwerdegegnerin 1 ist auch zu Recht der Ansicht, dass für die gestalterische Einfügung ins bestehende Orts- und Landschaftsbild vorliegend Art. 63 BG massgebend ist. Abs. 3 dieser Bestimmung schreibt vor, dass alle Neu-, An- und Nebenbauten sowie Umbauten in Höhe, Stellung, Volumen, Proportionen, Dachform, Material, Farbe und Gestaltung der Fassaden den umliegenden Bauten anzupassen sind. Diese Vorschrift ist strenger als Art. 73 Abs. 1 KRG, wonach Siedlungen, Bauten und Anlagen nach den Regeln der Baukunst so zu gestalten und einzuordnen sind, dass mit der Umgebung und der Landschaft eine gute Gesamtwirkung entsteht. Folgende Ausführungen der Beschwerdegegnerin 1 im angefochtenen Entscheid sind zutreffend (vgl. S. 9, Ziff. 2.5 mit Luftbild aus der Vogelperspektive) und liegen in deren Ermessensspielraum:
Der untere Dorfteil von J._____ weist keine homogene Gestaltung auf. Die dortigen Gebäude sind vereinzelt zusammengebaut, oft aber auch freistehend. Die Firstrichtungen sind uneinheitlich, die Dachformen meist einfach. Ausnahme bilden beispielsweise die beiden Häuser auf Parzelle K._____ der Einsprecher. Die geplante Baute befindet sich am unteren westlichen Dorfrand. Mit der Unterteilung in mehrere Volumenkörper und deren unterschiedlicher Ausrichtung sowie den tiefergehaltenen Mittelteil werde die Gebäudeform gebrochen. Dies werde von der Baubehörde begrüsst, auch aufgrund der Grösse der Baute. Die geplante Baute ist zudem tiefer gelegt worden, was zur Volumenverminderung beiträgt. Die Baute wird hangparallel ausgerichtet, wie die oberhalb der Zufahrtsstrasse liegenden Bauten. Holz und Stein und verputzte Fassaden finden sich in der Nähe mehrfach. Hier handelt es sich nicht um einen ortsfremden Baustil.
Eine Verletzung des Orts- und Landschaftsbildes ist damit zu verneinen.
2.3. Die Beschwerdeführer rügen zudem eine Gehörsverletzung. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV; SR 101) umfasst als Mitwirkungsrecht all jene Befugnisse, die einer betroffenen Person einzuräumen sind, damit sie ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann (BGE 144 II 427 E.3.1, 135 II 286 E.5.1). Daraus folgt das Recht auf Einsicht in die Akten (BGE 144 II 427 E.3.1, 132 II 485 E.3.1), sich vor Erlass eines in ihre Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern sowie der Anspruch auf Abnahme der rechtzeitig und formrichtig angebotenen rechtserheblichen Beweismittel (BGE 144 II 427 E.3.1, 140 I 99 E.3.4). Die Behörde hat die Vorbringen der vom Entscheid in ihrer Rechtsstellung Betroffenen tatsächlich zu hören, zu prüfen und in der Entscheidfindung zu berücksichtigen (BGE 146 II 335 E.5.1, 136 I 229 E.5.2; VGU S 22 112 vom 20. Dezember 2022 E.4.1). Weiter folgt aus Art. 29 Abs. 2 BV die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich die betroffene Person über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinn müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 146 II 335 E.5.1, 143 III 65 E.5.2, 141 III 28 E.3.2.4, 138 IV 81 E.2.2, 136 I 229 E.5.2, 134 I 83 E.4.1; vgl. Urteile des Bundesgerichts 2C_336/2022 vom 29. November 2022 E.4.1, 2C_942/2021 vom 2. März 2022 E.4.1; sowie VGU R 21 47 vom 13. September 2022 E.3.1, S 21 89 vom 7. September 2022 E.4.1, A 21 11 vom 25. Januar 2022 E.3, U 21 89 vom 8. Februar 2022 E.3.1). Vorliegend rügen die Beschwerdeführer, die Begründungspflicht sei im angefochtenen Entscheid verletzt worden (Beschwerde S. 9-10, Ziff. 20 mit Abbildung Schnittplan B-B [inkl. Autoeinstellhalle]). Der Einwand der Gehörsverletzung erweist sich hier als unbegründet. Wie die Beschwerdegegnerin 1 richtig ausführt, ist sie ihrer Begründungspflicht im angefochtenen Entscheid hinreichend nachgekommen (siehe Bg1-act. 9 [Einspracheentscheid: 13 Seiten]; Bg1-act. 10 [Baubewilligung: 6 Seiten]). Die Beschwerdegegnerin 1 hat sich zum Einwand der Einsprecher in Bezug auf die Einordnung ins Orts- und Landschaftsbild genügend geäussert (vgl. dazu Baugesuch [Bg1-act. 1] mit Beilagen: Berechnungen/Nachweise [Bg1-act. 2], Kurzbericht [Bg1-act. 3], Situationsplan [Bg1-act. 4], Baugespann [Bg1-act. 5], Fassaden/Schnitte [Bg1-act. 6], Grundrissplan/Umgebung [Bg1-act. 7], Kanalisationsplan [Bg1-act. 8], Farbfoto aus der Luft zur Illustration der Dorfkörnung [Bg1-act. 9 Ziff. 2.5]). Auch die Planskizzen in der Beschwerdeschrift (S. 9 Ziff. 19, S. 10 Ziff. 20 am Ende, S. 12 Ziff. 25, S. 13 Ziff. 26, Farbfoto S. 8 Ziff. 18) und die detaillierten Argumentationsstränge (S. 4-13, Ziff. 11-28) zeigen auf, dass die Beschwerdeführer umfassend über die Motive und Überlegungen der Beschwerdegegnerin 1 im angefochtenen Einsprache- und Baubewilligungsentscheid im Bilde waren und ihn daher auch sachgerecht anfechten konnten. Die Rüge der Gehörsverletzung erweist sich daher als unbegründet.
2.4. Die Beschwerdeführer erheben weiter den Vorwurf der ungenügenden Bereitstellung der baugesetzlich geforderten Anzahl an Pflichtparkplätzen. Nach Art. 39 Abs. 1 BG hat die Bauherrschaft bei allen Neu- und wesentlichen Umbauten, [..], auf ihrem Grund und Boden genügend Abstellplätze für Motorräder zu errichten und diese dauernd für die Parkierung offen zu halten. Laut Abs. 2 lit. a dieser Bestimmung sind bei Wohnbauten 1 Platz pro Wohnung bis 80 m2 Bruttogeschossfläche, darüber 2 Plätze bereitzustellen. Nach Art. 39 Abs. 4 Satz 2 gilt zudem: 'Bei einer Ausnützungsziffer von mehr als 0.5 kann die Baubehörde verlangen, dass mindestens die Hälfte der notwendigen Anzahl Parkplätze unterirdisch angeordnet wird.' Im konkreten Fall ist dazu aktenkundig erstellt, dass das Neubauprojekt aufgrund seines Volumens insgesamt 13 Pflichtparkplätze benötigt und diese Anzahl auch bereitgestellt werden kann (vgl. Bg1-act. 2 Ziff. 2 [AZ-Berechnungen], Ziff. 3 [vier Erst-/drei Zweitwohnungen], Ziff. 4 [Abstellflächen für Fahrzeuge: 11 Einstellplätze in Tiefgarage, 2 Aussenparkplätze]). Die erforderliche Anzahl Pflichtparkplätze ist korrekt ermittelt worden. In Art. 39 BG wird die Mindestzahl von Parkplätzen bestimmt. Es steht fest, dass das Neubauprojekt 13 Pflichtparkplätze zur Verfügung halten muss. 13 Parkplätze genügen. Daran ändert auch nichts, dass zwei der vorgesehenen Pflichtparkplätze in der Tiefgarage (nämlich PP 08 und PP 11) hintereinander angelegt sind (vgl. Bg1-act. 7; Untergeschoss). Sechs von insgesamt sieben projektierten Wohnungen lösen je zwei Pflichtparkplätze aus (vgl. Bg1-act. 2 Ziff. 4). Somit besteht die Möglichkeit, einen frei verfügbaren Parkplatz und einen gefangenen Parkplatz dem gleichen Eigentümer derselben Wohnung zuzuteilen. Damit wird auch der hinterliegende Parkplatz PP 11 vollwertig (so bereits: VGU R 05 95/102 vom 10. Februar 2006 E.4e sowie R 04 96 vom 28. Juni 2005 E.1c). Das Fehlen der weiter bemängelten Möglichkeit zum Wenden auf Parzelle K._____ der Beschwerdeführer ist im vorliegenden Verfahren zum Voraus nicht weiter relevant, sondern eine zivilrechtliche Angelegenheit, weshalb dafür nicht das im öffentlichen Baurecht zuständige Verwaltungsgericht materiell spruchbefugt ist. Im Übrigen ist die in der Replik der Beschwerdeführer vom 19. September 2022 (S. 4, Ziff. 9) abgebildete Planskizze (Auszug Geoportal GR, amtliche Vermessung) hier ohne Bedeutung, gibt sie doch den vorherigen und nicht den effektiv bewilligten Zustand wieder (vgl. Bg1-act. 7 Erdgeschoss PP 12 und PP 13). Beide Aussenparkplätze sind demnach bewilligungsfähig.
2.5. Die Beschwerdeführer kritisieren zudem die fehlende Gesetzeskonformität der vorgesehenen Erschliessungsanlage (Tiefgaragenein- und ausfahrt). Laut Art. 38 Abs. 3 BG dürfen nicht überdachte Garagenausfahrten maximal 12 % Neigung aufweisen. Zwischen der Strassengrenze und dem Beginn der Neigung soll nach Möglichkeit ein ebener Vorplatz von wenigstens 3.0 m Tiefe vorhanden sein. Im konkreten Fall ist dazu 'situationsbedingt' festzuhalten, dass sich das Neubauprojekt auf den Parzellen I._____ am Ende der Quartierstrasse ohne Durchgangsverkehr befindet. Es ist deshalb nicht ersichtlich, weshalb die Steigung von 3.8 % bei der Garagenein- und -ausfahrt mit fast vollständig überdachter Zufahrtsrampe im Nordosten der Parzelle I._____ (vgl. Bg1-act. 7 Erdgeschoss mit Strassenzufahrt) zu einer Verkehrsbehinderung führen sollte. Eine Pflicht zur Realisierung eines ebenen Vorplatzes gibt es hier nicht. Die zwei Aussenlängsparkplätze (PP 12 und PP 13) sind zudem recht gross bemessen, zumindest aber ohne Beanspruchung der Nachbarparzelle K._____ der Beschwerdeführer auf der gegenüberliegenden Strassenseite im Norden befahr- und benutzbar. Die Breite der Längsparkplätze entspricht mindestens der schweizweit gültigen VSS-Norm 40291 (in Kraft seit 12/2021) von 2.35 Metern (vgl. Akten Gerichtsbeilage: Zeitschrift 'Strasse und Verkehr' Nr. 4/2022, Parkierung, Revidierte Parkierungsnorm orientiert sich an aktuellen Rahmenbedingungen: Blick in die Normierungsgeschichte, Autor: Felix Dudler, S. 12).
2.6. Zusammengefasst ergibt sich somit, dass der angefochtene Entscheid der Beschwerdegegnerin 1 in jeder Beziehung rechtens und vertretbar ist. Die Beschwerde vom 23. Juni 2022 ist daher unbegründet und abzuweisen.
3.1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten gestützt auf Art. 73 Abs. 1 VRG anteilsmässig (zu jeweils 1/3) und solidarisch haftend für das Ganze den drei Beschwerdeführern aufzuerlegen. Gemäss Art. 75 Abs. 1 VRG bestehen die Verfahrenskosten aus der Staatsgebühr, welche für die Beanspruchung der Behörde erhoben wird (lit. a); den Gebühren für die Ausfertigung und Mitteilung des Entscheids (lit. b) und den Barauslagen (lit. c). Die Staatsgebühr beträgt dabei gemäss Art. 75 Abs. 2 Satz 1 VRG höchstens 20'000 Franken. Sie richtet sich nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Sache sowie nach dem Interesse und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kostenpflichtigen. Hier erachtet das streitberufene Verwaltungsgericht eine Staatsgebühr von total CHF 3'000.-- (zzgl. Kanzleiauslagen) für angemessen und gerechtfertigt.
3.2. Der Beschwerdegegnerin 1 (Gemeinde) steht gemäss Art. 78 Abs. 2 VRG keine Parteientschädigung zu, da sie lediglich im Rahmen ihres amtlichen Wirkungskreises obsiegt hat.
3.3. Da die Beschwerdegegnerin 2 nicht anwaltlich vertreten war und somit einzig im eigenen Interesse und auf eigene Kosten gehandelt hat, steht ihr im Einklang mit Art. 78 Abs. 1 VRG ebenfalls keine Parteientschädigung zu.
III. Demnach erkennt das Gericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten, bestehend aus
- einer Staatsgebühr von
CHF
3'000.--
- und den Kanzleiauslagen von
CHF
437.--
zusammen
CHF
3'437.--
gehen anteilsmässig (zu je 1/3) und solidarisch haftend zulasten von A._____, B._____ und C._____.
3. Aussergerichtlich werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
4. [Rechtsmittelbelehrung]
5. [Mitteilung]
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